Gestern war ich bei Ursula und Florian zum Reiberdatschi-Essen eingeladen. Ich klagte ihnen mein Leid, daß ich bei den Rezepten, die nur in meinem Kopf existierten, solche Schwierigkeiten mit den Mengenangaben hätte. Jetzt sei ich gerade beim Kuchenkapitel und wisse überhaupt nicht, wieviel Mandeln ich immer für die Geburtstagstorte nehme. Nach Gefühl halt, aber wie drückt man "nach Gefühl" in Gramm aus? Florian gab mir den Rat, bis zu seinem Geburtstag zu warten. Daraufhin fragte ich ihn, ob er sicher sei, eine Torte von mir zu bekommen. Dieses Spielchen machen wir nun schon über zehn Jahre.
Da ich für diese Torte immer sehr viel Rum verwende, machte ich sie nur zu Erwachsenen-Geburtstagen. Ihr wart natürlich immer ganz scharf darauf, weil sie gut schmeckt und weil alles, was die Erwachsenen essen dürfen, sowieso besser und damit erstrebenswert ist. Ihr bekamt aber allerhöchstens ein kleines Gäbelchen oder ein ganz, ganz kleines Stückchen.
Ich war ja auch einmal ein Kind und kenne die Tricks, wie man nascht, ohne daß die Mutter es merkt. Ich habe mich immer Löffelchen für Löffelchen über die Zuckerdose hergemacht. Das würde heute keinem Kind mehr einfallen, aber zu der Zeit der Lebensmittelmarken war Zucker für mich die größte Köstlichkeit. Es muß 1947 gewesen sein, da gab es einmal 50 g Zucker Sonderzuteilung pro Person. Meine Mutter war eine kluge Frau, und so gab sie jedem Familienmitglied die ihm zustehende Menge. Gramm für Gramm habe ich meine Zuteilung genossen. Vielleicht hatte meine Mutter doch gemerkt, daß ich immer an die Zuckerdose gegangen war.
Ich muß euch wirklich ein Kompliment machen. Ich habe nie etwas gemerkt. Wenn Michael mir beim letzten Frühstück nicht erzählt hätte, was ihr alles angestellt habt, um in den Genuß der Geburtstagstorte zu kommen, wäre ich jetzt noch überzeugt, daß ihr ohne Alkohol aufgewachsen seid.
Ihr habt nicht nur dünne Stücke abgeschnitten, ihr habt ganze Tortenteile abgetragen, um an die gute Füllung zu kommen. Ich muß wirklich blind gewesen sein, obwohl ich damals doch noch überhaupt keine Probleme mit meinen Augen hatte.
1977, zu seinem 16. Geburtstag, wünschte sich Florian die Erwachsenengeburtstagstorte. Und natürlich stand sie ihm zu. Zwar war er noch nicht volljährig, aber in seiner Lehre mußte er wie ein Großer arbeiten. Mit Oma und Irene fuhr ich damals nach Amerang. Ich war beladen mit einer Berberdecke für Flos Bett, Blumen und der Stoewer-Geburtstagstorte. Florian strahlte, nun war er erwachsen.
Das Grundrezept dieser Torte kommt aber eigentlich aus dem Wobersinschen Haushalt. Ich habe es nur im Laufe der Jahre, entsprechend der besseren Möglichkeiten, verändert. Bei meiner Mutter waren in der Nachkriegszeit überhaupt keine Mandeln dabei.
Eigentlich ist es ein stinknormales Rezept, das aber auch bei Freunden großen Anklang fand und findet.
Johannes Jauß hat sich die Torte jahrelang zum Geburtstag gewünscht, bis er aus Gesundheitsgründen auf
Tiramisu umstieg (ganz ohne Fett kann ich aber auch das nicht machen!). Und wenn ich Annette frage, welchen Kuchen ich ihr denn zum Geburtstag machen solle, kommt immer die schüchterne Antwort: na ja, die Geburtstagstorte. Zu ihrem 44. im letzten Jahr habe ich noch 44 Bahlsenkekse mit der Füllung dazwischen übereinandergeschichtet. Ich gebe zu, daß ich mit der Statik etwas Probleme hatte.
Für die Torte, die ich selbstverständlich auch in diesem Jahr Florian zum Geburtstag machte, nahm ich die folgenden Zutaten und Mengen; trotzdem sind die Mengen immer noch ungefähr. Es kommt darauf an, wie du die Mandeln mahlst. Wenn sie sehr fein gemahlen sind, braucht man weniger. Auch die Größe der Eier spielt eine Rolle. Die angegebenen Mengen reichten für die Torte und eine
Schwarze Kiste mit 16 Butterkeksen.
Für den Tortenboden machst du einen
Biskuitteig:
6 Eier getrennt
200 g Zucker
2 Vanillezucker
250 g Mehl
2 TL Backpulver
Für die Füllung:
7 mittelgroße Eier
100 g Zucker
4 Vanillezucker
3 EL Kakao
1 TL Kaffee
3 EL Rum
150 g Palmin
600 g Mandeln, mittelfein gemahlen
400 g bittere Orangenmarmelade
noch einmal kräftig Rum
abgezogene Mandeln zum Verzieren
Erst backst du den Tortenboden, lässt ihn erkalten und schneidest ihn in drei Teile.
Das Palmin läßt du im Wasserbad schmelzen.
Eier, Zucker, Vanillezucker, Kaffee, Kakao und Rum schaumig schlagen. Dann abwechselnd Mandeln und Palmin löffelweise dazugeben. Das Palmin darf nicht zu heiß sein, das mögen die Eier nicht. Wenn dir die Masse zu dünn erscheint, kannst du noch mehr Mandeln hineingeben, aber denke daran, daß das Palmin Festigkeit gibt, wenn es erkaltet.
Etwa eine Stunde in den Kühlschrank stellen.
Auf die unterste Biskuit-Lage träufelst du Rum und streichst die Mandelmasse darauf. Dann kommt die nächste Lage, die du mit Rum verdünnter Marmelade bedeckst. Ich bevorzuge hier die bittere Orangenmarmelade, weil sie einen angenehmen Kontrast zur Süße der Torte bildet. Du ißt sie nicht so gerne, und so kannst du jede andere Marmeladenart verwenden, eine säuerliche - wie Sauerkirschen- oder Johannisbeermarmelade - aber sollte es sein. Für die oberste Schicht kann noch einmal die Rumflasche in Bewegung gesetzt werden.
Dann wird der ganze Kuchen mit der Mandelmasse überzogen. Hilfe bringt ein großes Messer, das du ab und zu in warmes Wasser tauchen kannst. Zum Schluß verzierst du mit abgezogenen Mandeln.
Dieses Jahr werde ich dir auch wieder eine solche Torte machen, und da wird oben eine stolze "25" stehen. Mandeln und Palmin werde ich in meinem Gepäck haben. Ich freue mich schon so sehr auf den Tag!
In drei Wochen ist es wieder so weit.
Florian wird 47 Jahre alt und besteht wie jedes Jahr auf seiner Torte. Und er bekommt sie auch wie jedes Jahr.
Nachtrag: In drei Wochen ist es wieder so weit. Florian wird 47 Jahre alt und besteht wie jedes Jahr auf seiner Torte. Und er bekommt sie auch wie jedes Jahr. Dieses Jahr werde ich sie wieder mit Eiern - natürlich Bio-Eiern – machen. Wegen möglicher Salmonellen in rohen Eiern habe ich einige Versuche unternommen, ohne Eier auszukommen. Aber trotz großer Mengen Rum bekommt man keine streichfähige Masse. Also wieder zurück zu unserer klassischen Geburtstagstorte. Allerdings nehme ich schon seit einigen Jahren 2 Tafeln Kuvertüre statt Palmin.