Lange Zeit gab es nur langweiliges Vanille- oder Fürst-Pückler-Eis.
So habe ich früher selbst versucht, Eis zu zaubern, ganz gelungen ist es mir nie.
Wenn man keine Eismaschine hat, die die Masse beim Gefriervorgang ständig bewegt, entsteht kein cremiges Eis. Selbst wenn man Sahne verwendet, wird alles viel zu fest. Zitronen- oder anderes Wassereis kann man gar nicht herstellen.
In der Weidhaas-Stoewer-Familie gab es eine altmodische Eismaschine, die aus mehreren Behältnissen bestand, die man ineinander stellte und jeweils mit Eismasse, zerstoßenem Wassereis und Salz füllte.
Stundenlang mußte per Hand gerührt werden. Wir wechselten uns ab, aber die größte Muskelkraft hat wohl Papa investiert (damals noch einfach Christoph genannt, denn von euch wußten wir noch nichts. Wo wart ihr denn da? Habt ihr uns etwa zugeschaut und euch lebendig zu uns gelacht?).
Das Ergebnis der langen Mühen war selbst für unsere nicht verwöhnten Gaumen ungenießbar. Der Salzbehälter muß ein unsichtbares Leck gehabt haben.
Wie gut, daß in diesen Jahren die ersten italienischen Eisdielen in München aufmachten.
Mein Vater lud uns zu unserer Verlobung im Sommer 1957 auf der Terrasse des Rialto in der Leopoldstraße zu Eisbechern ein.
Er nahm dabei Christoph zur Seite, um mit ihm von Mann zu Mann zu reden. Er wollte eventuellen Regreßansprüchen vorbeugen. Christoph erfuhr, daß seine Zukünftige schon zweimal auf den Kopf gefallen war (Mediziner sprechen wohl von Gehirnerschütterungen). Jetzt gehen dir sicher mehrere Lichter über einige Marotten von mir auf.
Ich war damals sehr gekränkt, aber meine Lust auf Eis blieb mir erhalten. Oder war meine Eisvorliebe ein unbewußter Versuch, Gleichheit zwischen Christoph und mir - den Kopf betreffend - herzustellen? Vordergründig wollte ich dem "Grünen Witwendasein" in Milbertshofen - Anfang der sechziger Jahre fuhr dort noch nicht einmal die Straßenbahn - wenigstens am Abend für ein, zwei Stündchen entfliehen und lockte Christoph oft auf den Flanierboulevard Leopoldstraße.
Ein Tüteneis schleckend schlängelten wir uns durch die Menschenmassen.
So gerieten wir im Juni 1962 in die sogenannten Schwabinger Krawalle. Christophs Kopf machte dabei die Bekanntschaft eines Polizeiknüppels. Eine kleine Gruppe Jugendlicher hatte ohne Genehmigung auf der Leopoldstraße Musik gemacht. Die Polizei wollte sie vertreiben, wofür die Zuhörer kein Verständnis hatten. Damals war die Polizei noch völlig ungeübt im Umgang mit Bürgerprotesten und Demonstrationen - seit damals gibt es Polizeipsychologen. Die Gewalt eskalierte, die Krawalle dauerten mehrere Tage. Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel ließ durch Hundertschaften berittener Polizei die Straßen räumen. So bekam dein Vater - und nicht nur er - von oben herab eins aufs Haupt.
Die Schwabinger Krawalle sind längst Geschichte und wohl auch weitgehend vergessen, zu viel ist in den Jahren danach geschehen. Auch Positives. Für mich war das schönste Ereignis deine Geburt.
Zu den angenehmen Entwicklungen der letzten Jahre gehört die stille Eisrevolution.
Zunächst bekam man in einigen Lokalen ausgefallene Eissorten serviert. In ein bestimmtes Steakhaus bin ich zum Beispiel nicht wegen des zarten Fleisches oder der Sauce Bernaise, sondern wegen des Pistazieneises zum Essen gegangen.
Ins Café Luitpold am Chiemsee zog es mich nach meinen Radeltouren immer wegen der phantastischen Eisbecher.
Seit einigen Jahren kann man nun die köstlichsten Eissorten in jedem Supermarkt kaufen. Man muß nur noch die Preise vergleichen. Seit ich eine Tiefkühltruhe habe, kann ich mindestens zwischen acht Varianten wählen: Vanille, Schokolade, Pistazie, Haselnuß, Kirsch, Rumtopf, Brandy Orange, Zitronensorbet, Cassis... Davon mache ich häufig Gebrauch, wobei die jeweils bevorzugten Sorten wechseln.
Auch Gäste sind über mein reichhaltiges Angebot immer hocherfreut. Wenn ich am Wochenende spontan Freunde zum Essen einlade und keinen Nachtisch planen konnte, muß keiner auf den süßen Abschluß verzichten. Jeder kann wählen. Meist habe ich eine Sahne im Kühlschrank, die ich mit einem Vanillezucker steif schlage. Ich kann tiefgefrorene Beeren auftauen und leicht zuckern. Himbeeren schmecken auch sehr gut heiß zum Eis.
Michael hatte im vorigen Jahr etwas zu lange seine schwarzen Johannisbeeren in meiner Truhe vergessen. Heiß mit ein wenig Zucker kamen sie über Vanilleeis, und alle waren begeistert.
Manche Gäste gießen auch Alkoholika über das Eis oder heiße Schokoladensoße.
Vanilleeis mit Erdbeeren, Vanille- und Pistazieneis zu
Roter Grütze habe ich schon erwähnt.
Im Sommer habe ich immer einen starken kalten Kaffee für einen Eiskaffee im Kühlschrank.
Du weißt, daß er mit Vanilleeis gemacht wird. Du bekamst ihn in einem Café einmal mit Zitroneneis serviert. Das war aber ein Versehen, und die Reklamation wurde auch sofort angenommen.
Eisschokolade ist auch nicht zu verachten, und Kinder freuen sich, wenn sie auch einen Becher mit Strohhalm und einem Sahnehäubchen bekommen, der so ähnlich aussieht, wie der der Erwachsenen. Hier kann man zusätzlich zu dem Vanille- noch ein Schokoladeneis nehmen.
Normalerweise nehme ich für eine Tasse Kakao zwei gehäufte Teelöffel Kakaopulver, einen Vanillezucker und etwas Zimt. Für die Eisschokolade lasse ich den Zimt weg und nehme nur ein halbes Tütchen Vanillezucker, damit sie nicht zu süß wird.
Als Erfrischung presse ich mir an heißen Tagen manchmal einen Orangensaft aus und gebe zwei Kugeln Vanilleeis mit in das Glas.
Ich könnte ja noch stundenlang über Eis schreiben. Jetzt ist aber Schluß, damit es dir und mir nicht so geht wie der armen Frau, die sich an Eis totgegessen hat. Sie konnte nicht mehr aufhören und ist dabei erfroren. So las ich es jedenfalls in der Zeitung.